Die Steinsuppe

Frei nach einem Märchen aus Portugal

Vor langer Zeit, zog ein Vagabund übers Land. Er wanderte von Dorf zu Dorf, freute sich seines Lebens und genoss seine Freiheit.

War er müde, so suchte er sich irgendwo in der Natur oder einer alten Scheune ein Plätzchen, hatte er Hunger labte er sich an dem, was Gott ihm so über den Weg schickte. Die Welt hatte so vieles zu bieten! Hin und wieder klopfte er an fremde Türen, bat um eine Mahlzeit und hoffte nicht davon gejagt zu werden.

Nun, auch im Leben eines Vagabunden gibt es gute und schlechte Zeiten. Und so strich unser Vagabund eines Tages sehr hungrig durch die Lande. Da kam er in ein Dorf. Dort klopfte er an die Tür eines großen Bauernhauses. Hier lebten sicherlich keine armen Leute, das konnte man sehen. Zumal, wenn man Vagabund war und Erfahrung damit hatte, sich die richtigen Türen auszusuchen. Doch heute wollte dem Vagabunden einfach nichts gelingen. Die Haustür wurde ihm vor der Nase zugeschlagen und man jagte ihn mit üblen Beschimpfungen von dannen.

So zog er weiter durch das Dorf. Da entdeckte er eine alte Frau, die im Garten ihrer Arbeit nachging. Er näherte sich dem Gartenzaun, setzte sein freundlichstes Vagabunden-Sonntagslächeln auf und bat auch sie um eine kleine essbare Gabe. Die Alte zögerte einen Moment, wollte schon anheben zu zetern, zog dann aber doch ein Stück trockenes Brot aus ihrer Schürzentaschen und scheuchte ihn weiter. „Mehr habe sie leider nicht.“, rief sie ihm noch nach.

Den quälenden Hunger im Leib und das Stückchen Brot in der Hand zog der Bettler weiter. Er ließ das Dorf hinter sich und suchte sich ein Plätzchen im nahegelegenen Wald. Hier wollte er ausruhen und sein karges Mahl halten.

Am nächsten Tag kehrte der Vagabund in das ungastliche Dorf zurück. Es war Markttag und so schlenderte er über den Markt, besah sich die Stände. Wie herrlich all die Waren aussahen: Obst, Gemüse, Brot, Fleisch, Spezereien…. Herrlich. Und wie das duftete. Seine Augen und sein Appetit wurden immer größer, seine Hoffnung hier etwas zu essen zu bekommen schmolz dahin. Wo immer er sich auch näherte, verscheuchte man ihn mit den gleichen üblen Beschimpfungen wie am Vortag. Er kam nicht einmal dazu nach etwas Essbarem zu fragen.

Da sah er neben dem Brunnen einen alten zerbeulten Topf liegen, den irgendjemand achtlos weggeworfen hatte. Und da kam ihm eine Idee.

Er suchte sich einen freien Platz, sammelte ein paar Zweige und machte ein kleines Feuer. Den Topf füllte er am Brunnen mit Wasser und stellte ihn auf seine Feuerstelle.

Argwöhnisch beobachteten die Dorfbewohner dieses Treiben. Und kopfschüttelnd sahen sie zu, wie der Vagabund nun über den Marktplatz lief. Gerade so als suche er etwas. Was konnte dieser arme Schlucker schon verloren haben? Seht euch nur diesen komischen Vogel an, amüsierten sie sich. Doch was war das? Der Vagabund bückte sich, hob etwas auf, betrachtete es – sollte er etwa ein Taler gefunden haben? Nein, er warf es ja wieder weg.

Dieses kleine Schauspiel wiederholte der Vagabund ein paar Mal bis… Ja, bis er den richtigen Stein für seine Suppe gefunden hatte. Diesen wusch er am Brunnen sorgfältig ab, legte ihn in seinen Topf und kochte ihn. Hin und wieder rührte er um und probierte. Alles unter den neugierigen Blicken der Dorfbewohner. Der Vagabund rührte und probierte. Ließ die Suppe kochen. Rührte und probierte.

Inzwischen waren einige Leute näher gekommen und schauten diesem seltsamen Treiben zu. „Was machst du da?“, fragte einer der Bauern. Und ohne diesen anzuschauen, gab der Vagabund zur Antwort: „Ich koche Steinsuppe.“ „Was kochst du? Eine Steinsuppe!“, die Leute lachten laut. „Ja, eine Steinsuppe.“ Mittlerweile hatte sich schon eine richtig Menschentraube um den kochenden Vagabunden gebildet. Da fragte einer: „Ja und schmeckt das?“ Der Bettler rührte und probierte. Hmmmm. Gut. Mit etwas Gemüse würde die Suppe natürlich besser schmecken. Aber – und er probierte wieder – hmmmm.

Ein Bauer, der nun neugierig geworden war und zu gerne gewusst hätte, wie diese Steinsuppe schmeckt, lief fort und holte Gemüse. Dies reichte er dem Vagabund: „Ich gebe dir von meinem Gemüse, wenn du mich nachher auch probieren lässt. Ich habe noch nie Steinsuppe gekostet und möchte zu gerne wissen, wie sie schmeckt.“

Der Vagabund putzte das Gemüse, schnitt es klein und tat es in seine Suppe. Rührte und probierte, wiegte den Kopf hin und her und rührte weiter.

Da kam der Bürgermeister des Weges: „Was machst du hier. Du hast hier nichts zu suchen.“ „Ich koche eine Steinsuppe“, antwortete der Vagabund. Und der Bauer, der immer noch auf seine Steinsuppenkostprobe wartete fügte hinzu: „Er kocht mit sehr viel Aufmerksamkeit. Eine Steinsuppe muss etwas ganz besonderes sein.“ „Das soll schmecken“, fragte der Bürgermeister. Der Vagabund rührte und probierte, wiegte den Kopf hin und her und – „hmmmmmm. Gut! Obwohl mit einem Stückchen Speck und ein paar Kartoffeln würde die Suppe natürlich noch viel besser schmecken.“ Aber – und er probierte wieder – „hmmmmmmmmm. Köstlich!“

Und schon kamen ein paar Frauen herbei und brachten Speck und Kartoffeln. Auch das tat der Vagabund in den Topf, ließ alles gut aufkochen, rührte und probierte und wiegte den Kopf hin und her. „Hmmmmmmmmmmm. Gut. Noch ein paar Gewürze und die Suppe dürfte noch einmal so gut schmecken.“

Und schon wieder liefen einige Dorfbewohner Gewürze zu holen. Der Bettler aber lachte in sich hinein. So waren es doch die gleichen Leute, die ihn tags zuvor verscheucht hatten, die jetzt alles brachten, wonach er verlangte. Und tatsächlich. Im Handumdrehen bekam er auch schon die Gewürze, tat von jedem ein wenig in die Suppe hinein, ließ alles gut aufkochen, rührte und probierte und wiegte den Kopf hin und her. „Hmmmmmmmmmmm. Gut. Gut!! Die Suppe ist fertig.“ Da sah er einen dicken Mann mit Schürze in der Tür des Gasthauses stehen. Nun recht mutig geworden rief er ihm zu: „He Herr Wirt, bring er ein paar Teller und Löffel herbei. Ich möchte meine Steinsuppe teilen. Und wenn ich es mir recht überlege, dann würde ein kühles Glas Bier doch vortrefflich dazu schmecken.“ Der Wirt schaute etwas verdutzt, brachte dann aber doch Teller, Löffel und einen Humpen Bier. War er doch für seine Neugier landauf und landab bekannt.

Und so teilte der Bettler seine Suppe. Ein jeder bekam ein wenig. Er selbst füllte sich seinen Teller und Vagabund und Dorfbewohner schmausten einträchtig auf dem Marktplatz gleich neben dem Dorfbrunnen. Die gefräßige Stille wurde nur durch die vielen Hmmmmms und Ohhhhhs unterbrochen. Und der Bettler schmunzelte.

Schließlich kam der Wirt zum Vagabunden: „He du, willst du nicht bei mir als Koch arbeiten? Du sollst es auch nicht bereuen. Ich will dich reich entlohnen, denn wer aus Stein eine so gute Suppe kochen kann, der muss schon etwas ganz besonderes sein.“ Der Bettler überlegte nicht lange und verdingte sich als Koch: „Eine Bedingung habe ich jedoch zu stellen, sagte er. „Kommt ein Bettler ins Dorf so möge man ihm zu jeder Zeit und in jedem Hause zu essen und eine Unterkunft geben.

Kategorien: Adventskalender

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