Die Sprache des Himmels

Ein Märchen aus Arabien

Man erzählt sich, dass in jener Zeit, als Jesus Christus geboren worden ist, man am Himmel ein großes Sternbild hat aufleuchten sehen. Es waren zahllose Sterne, die sich wie ein Band über das Firmament erstreckten und die man nur in der Nacht erblicken konnte. Und dieses Band war wie der Umriss eines großen, großen Engels. Und man sagt, dieser Engel habe ganz leise gesungen, jedoch in einer Sprache, die man nicht verstehen konnte. Es war die Sprache des Himmels und nur wenige weise Männer — Priester — konnten sie verstehen.

Und als sie den Gesang hörten, eilten sie ins Freie, erkannten den Engel und wussten, dass der Messias geboren war. Und sie brachen noch in der gleichen Nacht auf, um den Ort zu suchen, wo das göttliche Kind die Erde betreten habe. Und es waren vier Männer, welche das Lied des Engels verstanden hatten: Einer aus Indien, einer aus Persien, einer aus Arabien und einer aus dem Lande vom Untergang der Sonne.

Und ich weiß nicht, wie viele Tage und wie viele Wochen sie gereist sind. Sie konnten nur nachts reiten, denn am Tage war der Engel unsichtbar. Und obwohl die vier Männer aus so fernen Ländern stammten, konnten sie doch miteinander reden, denn es waren Weise. Und es sagte einer davon zu den anderen: »Brüder, die ihr von Gott geweckt wurdet, sagt mir: Was wollt ihr dem Königskind als Gabe bringen? Ein jeder möge sprechen, damit wir es wissen und damit wir sonst noch etwas besorgen können, wenn es fehlt.« Und es sagte ein Zweiter: »Bruder, der du der älteste und weiseste von uns bist, gut hast du gesprochen. Und sieh, was ich dabei habe, um es dem heiligen Kind darzubringen: Gold. « Da sagte derjenige, der zuerst gesprochen hatte: »Gut hast du getan, Bruder; denn das Gold wird man brauchen. Denn das Kind und seine Eltern werden fliehen müssen. Wusstest du das?« — »Nein, das wusste ich nicht, Bruder. «

Und der Älteste sagte zum Dritten: »Und du, was führst du bei dir?« — »Ich, Bruder, habe ein Säckchen voll kostbarem Weihrauch.« — »Es ist gut.« Und er sagte zum Vierten: »Und was hast du mitgenommen? «Da wickelte jener ein Gefäß aus einem Bündel Leinen, zeigte es den anderen und sagte: »Leinen und Myrrhe.« – »Du denkst weit«, sagte der Älteste, »und du tust gut daran.« . Da sagte der Zweite von den Weisen: »Du aber, Bruder, nun sag‘ du, nachdem wir dir alles gezeigt haben, woher du kommst und was du als Geschenk für den Messias bringst. « »Ich«, sagte da der Älteste, »ich komme von Indien her, und von dort ist auch meine Gabe: Schaut her! Ein Buch! « »Ein Buch, ein Buch!« riefen die anderen Weisen erstaunt. »Ein Buch! Was ist’s damit? Was steht darin?« »Es ist das Buch der frohen Botschaft«, sagte der Älteste, in ihm ist alles aufgezeichnet, was Gott den Menschen nach dem Fall Adams vorausbestimmt hat. Ein Engel hat es geschrieben und einem meiner Ahnen übergeben. Von diesem Vorvater ist dann das Buch über viele Geschlechter bis auf mich gekommen. Und ich werde es nun dem himmlischen Kinde übergeben und in dessen Händen wird es bleiben, bis sich alles erfüllt hat. Und dann wird man die Botschaft allen Menschen verkünden.«

So sprachen die vier Weisen untereinander. Und dann brachen sie wieder auf und einige Nächte später erreichten sie Bethlehem, wo sie das Kind und seine Eltern fanden. Und der Engel zeigte sich nicht mehr am Himmel. Und nachdem die Weisen ihre Gaben überreicht und das Kind angebetet hatten, reisten sie wieder in ihre Heimat zurück, ein jeder in das Dorf, aus dem er gekommen war. Und das Buch der frohen Botschaft blieb in den Händen des Kindes, bis sich alles erfüllt hatte. Und heute haben wir Abschriften davon in aller Welt.

Kategorien: Adventskalender

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