Der Wirt

Nichts geht mehr!
Hier herrscht Ausnahmezustand.
Seit Tagen!
Trepp auf, Trepp ab,
Wein auftragen,
Mahlzeiten zubereiten,
servieren,
da wünscht einer Wasser,
dort fehlt ein Becher….

es klopft
nicht zum ersten Mal
es klopft ständig!

Tür öffnen,
„nein, ich habe kein Zimmer mehr“
„nein, auch keinen winzigen Platz in der letzen Ecke meiner Herberge!“

Tür zu
und weiter
Trepp auf, Trepp ab,
jemand braucht noch Decken,
ein anderer kann nicht bezahlen,

es klopft

Tür öffnen,
„nein, es tut mir leid, kein Platz mehr in meinem Haus“
„Nein, keine Ausnahme, auch nicht für euch,
versteht doch endlich, Bethlehem ist voll!“
„Und übrigens, diese Volkszählung war nicht meine Idee.
Verschwindet endlich!“

Tür zu,
einen Moment Ruhe,
an die Tür lehnen und durchatmen,

es klopft

Tür öffnen
„n…oh Gott, diese armen Leute.
Sie sehen so müde und mitgenommen aus.
Kommen sicher von weit her.
Sie ist schwanger, das sieht man deutlich.
Dauert wohl nicht mehr lange.

Jetzt menschlich sein,
komm, irgendetwas geht immer!
Aber was? Wo?
Vielleicht der Stall?
Ja, der Stall ist besser als kein Dach über dem Kopf!
„Es tut mir leid, ich habe kein Zimmer mehr hier in der Herberge.
Keine Angst, ich schicke euch nicht fort.“

Warum eigentlich nicht? Ich habe doch sonst kein Erbarmen.

„Kommt mit, ein Stück noch die Straße hinunter,
dort habe ich einen Stall.
Besser als nichts.
Dort könnt ihr bleiben.
Ausruhen und wieder zu Kräften kommen.“

Seltsam, ausgerechnet diese beiden rühren mein Herz an.
Sollte unter meiner harten Schale doch ein weicher Kern schlummern?

Heike Nied

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