Auf dem Weg nach Bethlehem

Hey, aufgepasst! Ja, du da vorne mit den großen Sandalen!

So etwas habe ich in meinem ganzen Schneckenleben noch nicht erlebt. Eigentlich bin ich gerne unterwegs – im Schneckentempo. Da sieht man wenigstens was von der Welt. Aber was hier los ist! Menschen allein, Menschen mit Wägen, Menschen mit Eseln, manche mit Gepäck, andere ohne. Viele Menschen und noch mehr Füße. Füße in Sandalen, nackte Füße, kleine Füße, große Füße. Und die meisten gehen nicht im Schneckentempo. Sie sehen nicht was am Wegesrand wächst und sie achten schon gar nicht auf die, die im Schneckentempo unterwegs sind.

Das war knapp! Mann, geh langsam und schau wohin du trittst! Das kann doch nicht wahr sein!

Ich kenne diesen Weg gut. Hier war ich schon oft im Schneckentempo unterwegs. Das ist eine meiner Lieblingsstrecken. Hier im Bergland zwischen Nazareth und Bethlehem lässt es sich herrlich reisen – sofern nicht ganz Israel auf den Beinen ist. Eigentlich kann ich die Strecke nur empfehlen. Der Weg ist zwar manchmal steinig, geht hier steil bergauf und dort steil bergab und ist mit seinen 156 km nicht gerade ein Katzensprung, wenn man aber im Schneckentempo geht, Schritt für Schritt, dann gibt es hier am Wegesrand wirklich viel zu entdecken.

Hoppla! Das wäre es jetzt gewesen. Wieder so ein Hektiker mit Esel und Wagen! Mann, wie oft soll ich es denn noch erklären. Schritt für Schritt. Schneckentempo halt. Ja, jetzt schlägt es aber dreizehn. Sag mal geht´s noch. Du kannst doch den beiden armen Leuten mit dem Esel da vorne nicht so nah auffahren! Schon mal was von Abstand halten gehört! Da hast du doch keine Worte mehr. Die arme Frau wäre jetzt beinah vom Esel gefallen. Keine Augen im Kopf, was? Die Frau ist schwanger. Da heißt es Rücksicht nehmen. Wenn kein Platz zum Überholen ist, fährt man halt hinterher. Das kann doch nicht so schwer sein.

Das ist jetzt wirklich grade noch einmal gut gegangen. Gott sei Dank!
Unglaublich! Da geht endlich mal einer Schritt für Schritt – sozusagen im Schneckentempo – auf meinem Lieblingsweg und nimmt auch auf die Rücksicht, die langsamer sind als er, und muss dann quasi mit Esel, Frau und Gepäck einen Sprung zur Seite machen, weil so ein Raudi in der Kurve überholen muss!
Das ist einfach zuviel für meine Nerven. Ich brauche eine Pause. Hier sind für meinen Geschmack einfach zu viele Füße unterwegs. Nach der nächsten Kurve ziehe ich mich in mein Schneckenhaus zurück und warte, bis der Trubel vorbei ist.

Kommt gut an, wohin ihr auch immer unterwegs seid, ihr zwei da vorne mit eurem Esel. Lasst euch nicht aus der Ruhe bringen. Schritt für Schritt kommt ihr sicher ans Ziel. Gott ist mit euch auf dem Weg, das ist es was zählt.

Heike Nied

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